24.01.2022 – Kategorie: Fertigung & Prototyping
2012 kam die dritte Generation des Elektro-Smart Fortwo Electric Drive auf den Markt. Herzstück des Kleinstwagens ist sein „Tank“ unter den Sitzen: Eine 3-modulige Lithium-Ionen-Batterie, für deren Crashsicherheit ein flammgeschützter, stabiler Zellrahmen im 2K-Spritzgussverfahren von Pöppelmann sorgt.
Ob sich das Konzept der E-Mobilität durchsetzt, hängt von vielen Faktoren ab. Neben Ladedauer, Reichweite und Kosten wird auch die Sicherheit der Fahrzeuge über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Damit die Batterien bei einem Unfall oder einer Fehlfunktion nicht in Brand geraten oder gefährliche Stoffe freisetzen, müssen sie also gut geschützt und sicher im Fahrzeug verbaut werden. Das 2K-Spritzguss-Verfahren liefert hier eine Lösung.
Als die dritte Generation des Smarts als E-Fahrzeug auf den Markt kommen sollte, suchte die Daimler-Tochter Deutsche Accumotive einen Partner zur Entwicklung einer Funktionshalterung für die Batteriezellen des Fahrzeugs. Man wandte sich an die Experten von Pöppelmann K-Tech, einer Division der Pöppelmann Gruppe aus dem niedersächsischen Lohne. Zu deren Kernkompetenzen zählen die Entwicklung und Serienproduktion technischer Kunststofflösungen. Hersteller unterschiedlicher Branchen setzen auf den Kunststoffspezialisten, wenn es um funktionale und gewichtsreduzierte Produkte aus Kunststoff geht.
Für das Batteriemodul des Elektro-Smarts, dessen Nachfolger heute bereits im Einsatz ist, entwickelte Pöppelmann K-Tech zusammen mit Accumotive die technischen Einzelkomponenten aus Kunststoff. Das gemeinschaftliche Großprojekt startete 2011/2012 mit der Entwicklung von Zellrahmen, Isolationsrahmen und Stromkollektorrahmen für die Akkus. Eine ganze Reihe von Vorgaben mussten dabei berücksichtigt werden. Dazu zählten unter anderem die Genauigkeitsanforderungen in Bezug auf die Maße. „Die Zellrahmen mussten ein hohes Maß an Dimensionsstabilität aufzuweisen, damit es auch unter Realbedingungen wie dem Zellwachstum nicht zu unerwünschten Reaktionen kommt“, erklärt Christopher Marischen, Projektleiter bei Pöppelmann K-Tech.
Zu den weiteren Anforderungen zählten die Verwendung eines flammgeschützten Materials sowie eine möglichst kompakte Auslegung der Bauteile für den begrenzten Bauraum, der im Smart für die aus drei Modulen bestehende Gesamtbatterie zur Verfügung stand.
Für die Entwickler von Pöppelmann K-Tech hieß es nun, das passende Material zu finden, das die Funktion der Lithium-Ionen-Zellen gewährleistet und die sensible Zellfolie schützt. Hierfür arbeitete der Kunststoffspezialist zwei spezielle Komponenten aus, welche die technischen Vorgaben sowie die Anforderungen an die Sicherheit erfüllten. Die für den Zellrahmen entwickelte Lösung war in diesem Fall ein Hart-Weichkomponenten-Verbund, auch 2K genannt: Die Hartkomponente sorgte für Stabilität der Rahmen, die Weichkomponente gewährleistete ein weiches Einbetten der Batteriezellen. Denn beim Be- und Entladen eines E-Fahrzeugs „atmen“ die Zellen und können sich ausdehnen. Daher mussten sie vorsichtig behandelt und ausreichend geschützt werden. Die Verwendung eines flammgeschützten Materials mit einem Brennverhalten nach UL94V0 gewährleistete außerdem höchste Sicherheitsstandards.
Das 2K-Spritzgießen erlaubt, anspruchsvolle Multifunktionsteile mit unterschiedlichen, sogar gegensätzlichen funktionellen Anforderungen besonders kostengünstig herzustellen. Bei Pöppelmann K-Tech können alle Schritte der gesamten Prozesskette unter einem Dach stattfinden – von der Bauteilentwicklung über den hauseigenen Werkzeugbau bis zur Produktion. Mit diesem ganzheitlichen Konzept ist sichergestellt, dass sich die 2K-Teile durch hohe Qualität auszeichnen und zugleich kostengünstig hergestellt werden.
Beim 2K-Spritzguss lassen sich die Werkstoffeigenschaften von zwei verschiedenen Kunststoffen vereinen. So ist beispielsweise die Kombination von harten und weichen oder verstärkten und gleitoptimierten Kunststoffen möglich. Außerdem können mehrfarbige Teile herstellgestellt und selbst nichthaftende Kunststoffe formschlüssig verbunden werden. Das Verfahren sorgt für eine feste Verbindung zwischen den unterschiedlichen Materialien. Das Bauteil entsteht in einem Fertigungsablauf, so dass der Aufwand für Montage und Nachbearbeitung entfällt.
Zurück zum E-Smart: Für die Hartkomponente der Batterie-Zellrahmen wurde ein teil-aromatisches Spezialpolyamid mit 40 Prozent Glasfaserverstärkung eingesetzt. Das Material steht für einen sehr geringen Verzug, eine geringe Wasseraufnahme sowie für eine der höchsten Flammschutzklassen (V0/0,8 mm nach UL94). Die Weichkomponente mit patentierter Geometrie bestand aus einem Thermoplastischen Elastomer TPE-V (EPDM/PP) mit einer Härte von 45 Shore A. Erst wurde die Hartkomponente, dann die Weichkomponenten gespritzt. Für die vollautomatische Fertigung der Zellrahmen richtete Pöppelmann K-Tech drei komplette Anlagen ein. Zur Produktion der Einzelkomponenten wurden vier 2K-Index-Platten-Werkzeuge und drei holmlose 2K-Spritzgussmaschinen Engel Victory 350 t mit anspruchsvoller Peripherie eingesetzt.
Die Bauteile wurden automatisch in eingehausten Maschinen produziert. Dabei wurden zuerst Abstandsbuchsen mit ins Werkzeug eingelegt und umspritzt, die für die Modulmontage des Kunden wichtig waren. Technische Sauberkeit spielte bei der Produktion der Zellrahmen eine entscheidende Rolle: Die Batteriezellen mussten zuverlässig vor Verschmutzung geschützt werden, denn schon geringe Angussreste konnten eine Kettenreaktion verursachen und die einzelnen Batteriezellen beschädigen. In den von der äußeren Umgebung abgekapselten Anlagen wurden die Zellrahmen mit Zellverbindern bestückt und vercrimpt. Bei dem verwendeten Material handelte es sich um mit Aluminium plattiertes Kupfer. Eine Kameraüberwachung sicherte die lückenlose Qualitätskontrolle.
Die fertigen Bauteile wurden durch ein Warentransfersystem aus der Anlage geführt und in spezielle ESD-Transportbehälter gepackt. Diese bestanden aus antistatischen Materialien und schützten die Zellrahmen vor statischer Aufladung. Denn selbst geringste elektrostatische Entladungen konnten bei den elektronischen Bauteilen zu Defekten führen und die Lebensdauer der Produkte verkürzen. Die schwarzen ESD-Boxen enthielten spezielle VCI-Beutel, in die die Produkte eingeschlossen wurden. Die Beutel verhinderten einen Luftaustausch und schützten das Kupfer vor Korrosion. Zur Verpackung der Zellrahmen wurden sie mit einem Gefache mit Zwischenböden ausgestattet, um ein Aneinanderhaften der Weichkomponenten durch zu hohen Druck zu verhindern.
Mit der technischen Sauberkeit und der komplett darauf abgestimmten Logistik hat sich Pöppelmann K-Tech als verlässlicher Partner für zahlreiche Branchen etabliert. „Bei uns im Werk herrschen schon sehr spezielle Anforderungen. Vor allem für unsere Kunden aus der Automobilindustrie ist eine strenge Einhaltung der Vorgaben zur technischen Sauberkeit Pflicht. Darauf haben wir alle nötigen Prozessschritte abgestimmt – von der Werkzeugtechnik bis zum Verpacken der Fertigteile“, erklärt Michael Dultmeyer, Key Account Manager bei Pöppelmann K-Tech.
Sicher verpackt gingen die Produkte zur Endmontage zum Kunden, wo die 2K-Rahmen schließlich automatisch mit den Batteriezellen zu einem Batteriemodul „verheiratet“ wurden. Das fertige Batteriemodul bestand aus zwei Isolationsrahmen, 28 Zellrahmen sowie zwei Stromkollektorrahmen. Drei Module ergaben wiederum eine Gesamtbatterie für ein Fahrzeug. Etwa vier Jahre lang wurden diese Produkte bei Pöppelmann K-Tech in großer Menge in Serie für die E-Smart ED3-Generation produziert. „Damit waren wir an der Entwicklung von Batteriekonzepten für die E-Mobilität von Anfang an beteiligt und verfügen heute über umfangreiche Erfahrung“, unterstreicht Marischen.
2012 kam die dritte Generation des Smarts als rein elektrisches Fahrzeug schließlich auf den Markt. Herzstück ist ihr „Tank“: Eine crashsichere Lithium-Ionen-Batterie, bestehend aus drei Modulen, die nebeneinander unter den Sitzen im Fahrzeugboden verbaut sind. Ihr Batteriemanagementsystem kann das Ladevolumen jeder einzelnen Batteriezelle ermitteln. Statt einer Tankanzeige besitzen die E-Smarts eine Anzeige für den Ladestand und eine für den Batterieverbrauch. Rekuperation, der Wandel von Bewegungsenergie in elektrische Energie, ist ebenfalls mit an Bord. Die Fahrzeuge haben eine Reichweite von bis zu 130 Kilometern. Mit ihrem 75 PS (55 KW) starken Motor erreichen sie in nur fünf Sekunden Tempo 60.
Inzwischen wurde die dritte Generation der Smarts abgelöst. Doch die meisten Fahrzeuge der ED3-Reihe sind noch auf den Straßen unterwegs – mit offensichtlich gut geschütztem Akku, wie K-Tech-Projektleiter Marischen erklärt: „Wir sind stolz darauf, dass von 2012 bis heute die Batteriegeneration weltweit sicher auf den Straßen unterwegs ist.“
Pöppelmann K-Tech war im Auftrag von Daimler an der Entwicklung eines Batteriemoduls für die Smart ED3-Generation beteiligt. Der Kunststoffspezialist entwickelte hierfür Zellrahmen, Isolationsrahmen und Stromkollektorrahmen. Die Produkte aus Kunststoff, die einen hohen Flammschutz bieten und sich durch einen äußerst geringen Verzug auszeichnen, wurden im 2K-Spritzguss in Sauberfertigung hergestellt. Seit 2012 sind die E-Smarts der ersten Generation auf den Straßen unterwegs – und zeichnen sich durch ein zuverlässiges Batteriekonzept aus.
Die Autorin Sabrina Zerhusen arbeitet im Marketing von Pöppelmann K-Tech.
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