Die Zementindustrie ist bei Bemühungen zum Klimaschutz mittlerweile in den Fokus geraten: Ihr hoher Energiebedarf sowie das beim Kalkbrennen freigesetzte CO2 machen sie zu einem der größten Emittenten von Treibhausgasen. Wie lässt sich dem entgegenwirken?
Auf dem Gelände des Zementwerks Mergelstetten entsteht eine nach dem Polysius Pure Oxyfuel-Verfahren betriebene Anlage zum Kalkbrennen mit vollständiger CO2-Abscheidung. (Bild: Thyssenkrupp Industrial Solutions)
Die Zementherstellung setzt große Mengen an Kohlendioxid frei, knapp eine Tonne des Treibhausgases entstehen pro Tonne produziertem Zement. Damit ist dieser Industriezweig für 4 bis 8 % der gesamten globalen CO2-Emissionen verantwortlich und läge, wenn sie ein Staat wäre, an dritter Stelle hinter China und den USA. In Deutschland lag die Produktion von Zement im Jahr 2021 mit einem Ausstoß von 20,5 Mio. t CO2-Äquivalent von allen Industriezweigen an dritter Stelle, hinter der Eisen- und Stahlverhüttung auf Platz 1 (35,4 Mio. t) und Raffinerien auf Platz 2 (22,5 Mio. t).
Für diese hohen Emissionen gibt es zwei Gründe: Zum einen erfordert das Brennen von Kalk zum sogenannten Zementklinker hohe Temperaturen und damit große Mengen an Energie. Dieser Bedarf, und damit auch ein Teil der Emissionen, lässt sich durch effizientere Brennöfen und Verfahren senken. Insbesondere zu Zeiten hoher Energiepreise besteht für die Betreiber auch ein großes finanzielles Interesse an mehr Energieeffizienz. Ebenfalls positiv auf die CO2-Bilanz wirken alternative Brennstoffe, etwa Biomasse oder auch mit grünem Strom elektrisch betriebene Öfen.
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All diese Maßnahmen können jedoch nichts gegen die dem Zement zugrundeliegende Chemie ausrichten: Beim Brennprozess zerfällt Kalk, also vornehmlich Calciumcarbonat (CaCO3), zu gebranntem Kalk, also Calciumoxid (CaO), und CO2 als Nebenprodukt. Die Entstehung eines Moleküls CO2 pro Molekül CaO ist also unvermeidlich. Die einzige Möglichkeit, hier die CO2-Emissionen zu senken, ist, das entstehende CO2 aufzufangen und entweder einzulagern (Carbon Capture and Storage, CCS) oder als Rohstoff für andere chemische Prozesse einzusetzen. Verschiedene Prozesse sind hier bereits in der Entwicklung und zum Teil auch im Einsatz, sie sind jedoch oft ihrerseits energieaufwendig und damit nur schwer wirtschaftlich umzusetzen.
Aus diesem Grund ist das Interesse groß, Abscheidungsprozesse für CO2 so effizient wie möglich zu gestalten und den wirtschaftlichen Einsatz zu ermöglichen. Hier setzt beispielsweise das von Thyssenkrupp Industrial Solutions entwickelte Polysius Pure Oxyfuel an. Die Oxyfuel-Technologie ersetzt die bei herkömmlichen Verfahren eingesetzte Umgebungsluft im Klinkerproduktionsprozess durch den Eintrag von reinem Sauerstoff in die Frontzone des Kühlers. In den Abgasen des Brennprozesses entfällt damit der in der Luft enthaltene Stickstoff, und die CO2-Konzentration im Ofenabgas lässt sich auf bis zu 100 % steigern. Ein fast reiner CO2-Strom ermöglicht ein wesentlich effizienteres Abtrennen und dient als die Basis für eine dem Herstellungsprozess nachgelagerte Nutzung oder Speicherung von Kohlendioxid.
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Ganz so einfach, wie es klingt, ist der Prozess allerdings nicht. Besteht der Abgasstrom aus fast reinem CO2, wie für die Abscheidung gewünscht, so bleibt im Vorwärmer des Brennofens zu wenig heißes Gas für den Betrieb dortiger Zyklone. In der ersten Generation des Oxyfuel-Prozesses war als Lösung dieses Problems eine aufwendige Gasrückführung vom Vorwärmerabgas zum Kühler notwending, mit den Prozessschritten Wärmeaustausch, Entstaubung und Kondensation. In einer Weiterentwicklung dieses Verfahrens gelang es jedoch, ohne diese Gasrückführung auszukommen. Damit sinken auch die Investitions- und Betriebskosten deutlich. Laut Entwickler ist das Polysius Pure Oxyfuel-Verfahren damit die Best-in-Class-Technologie für die CO2-Abscheidung. Das weiterentwickelte Verfahren lässt sich darüber hinaus auch in Bestandsanlagen nachrüsten.
Das konkrete Interesse am Einsatz des Verfahrens ist groß. Die vier europäischen Zementhersteller Buzzi Unicem-Dyckerhoff, Heidelberg Cement, Schwenk Zement und Vicat wollen das Verfahren in einer Demonstrationsanlage testen. Zu diesem Zweck haben sie die gemeinsame Foschungsgesellschaft „Cement Innovation for Climate“ (CI4C) gegründet. Diese hat die Thyssenkrupp Business Unit Polysius mit dem Bau einer Pure-Oxyfuel-Ofenanlage für das Zementwerk in Mergelstetten in Süddeutschland beauftragt. Ziel der Forschungsgesellschaft ist es, dort das beim Kalkbrennen entstehende CO2 zu 100 % abzuscheiden und mithilfe von erneuerbaren Energien zur Herstellung von synthetischen Kraftstoffen wie Kerosin für die Luftfahrtindustrie einzusetzen.
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BfS Bundesamt für Strahlenschutz